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Störungsbilder & Behandlungsmöglichkeiten

Beeinträchtigungen des Redeflusses & Sprechablaufes („Poltern“)

Woran erkenne ich, ob mein Kind/Angehöriger von einer Redeflussstörung (hier: Poltern) betroffen ist?

Beim Poltern handelt es sich um eine Störung des Redeflusses in Folge einer Beeinträchtigung der sprachlichen Planungs- bzw. Gestaltungsfähigkeit, d.h. die Betroffenen haben Schwierigkeiten damit, ihre Gedanken zu strukturieren und sprachlich angemessen umzusetzen.

Die Betroffenen können ihre gedanklichen Abfolgen meist nicht der beschleunigten Geschwindigkeit ihres Sprechablaufes anpassen und demonstrieren folglich einen gesteigerten Mitteilungsdrang und treten ihrer Umwelt eher extrovertiert gegenüber.

Polterer sprechen meist mit überhöhter Geschwindigkeit und zum Teil übersteigerter Lautstärke, leiden unter Wortfindungsstörungen oder empfinden es als schwer, sich in Gesprächen situationsangemessen zu artikulieren.

Was sind die Ursachen des Polterns?

Die Entstehung des Polterns ist bis heute noch nicht eindeutig geklärt, jedoch werden die nachfolgenden Auffälligkeiten als „Risikofaktoren“ für die Ausprägung des Polterns eingestuft:

  • Vererbungstendenz
    • Im Vergleich zum Störungsbild „Stottern“ wird auch beim Poltern eine gewisse „Vererbungstendenz“ vermutet, d.h. in Familien, in denen bereits ein Verwandter zum Poltern neigt, besteht ein erhöhtes Risiko zum Wiederauftreten des Polterns bei anderen Familienmitgliedern.
  • Verarbeitungsstörungen im auditiven Bereich
    • Angeborene bzw. bestehende Probleme bei der Verarbeitung von Hörreizen können ebenfalls die Entstehung des Polterns im negativen Sinne begünstigen, da akustische Informationen nicht vollständig bzw. fehlerhaft verarbeitet werden.
  • kindliche Sprachentwicklungsstörungen/-verzögerungen
    • Beeinträchtigungen der Sprachentwicklung (z.B. im Bereich der Grammatik) können zum Poltern führen, da die betroffenen Kinder mitunter lediglich schnell Worte aneinanderreihen, um eine satzähnliche Äußerung zu formulieren.
  • frühkindliche Hirnschädigungen
    • Schädigungen des Gehirns können zu einer Vielzahl von Beeinträchtigungen der Sprachplanung führen.
  • Entwicklungsverzögerungen im Bereich des Zentralnervensystems
    • Störungen der Entwicklung des zentralen Nervensystems führen ggf. zu Problemen der Planung von Sätzen, insbesondere in Anbetracht von längeren Satzstrukturen oder Zusammenhängen.
  • Verhaltensstörungen
    • Verhaltensstörungen wie „ADS“ (Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom) oder „ADHS“ (Aufmerksamkeitsdefizit/-Hyperaktivitätsstörung) können ebenfalls zum Polterereignis führen bzw. dies verstärken, da die Konzentration auf die Satzbildung sowie Formulierungsart durch die zu Grunde liegende Störung erschwert wird.
Welche Symptome treten bei Polterern auf?

Obwohl eine erhöhte Sprechgeschwindigkeit als charakteristisches Merkmal des Polterns gilt, so können doch weitere Symptome auftreten, möglicherweise auch kombiniert; diese werden nochmals wie folgt in Haupt- und Begleitsymptome untergliedert:

  • Hauptsymptome
    • Steigerung der Sprechgeschwindigkeit bis hin zur Unverständlichkeit
    • Beeinträchtigungen des Sprechrhythmus (sog. „Verhaspeln“ beim Sprechen)
    • Verkürzungen bzw. Auslassungen von Lauten, Silben und Worten
    • Umstellungen, Ersetzungen und Neukombinationen von Lauten und Silben
    • Wiederholungen von Silben, Wörtern und Satzteilen
    • Korrekturen bzw. Änderungen von Äußerungen (zeitgleich oder nachträglich möglich)
    • Probleme beim Erhalt inhaltlicher Zusammenhänge (sog. „sprunghafte Übergänge“)
    • monotoner Stimmklang
  • Begleitsymptome
    • verringerte Konzentration & Aufmerksamkeit bis hin zur Entwicklung einer auditiven Verarbeitungsstörung
    • Beeinträchtigungen der Merkfähigkeit
    • Beeinträchtigungen der Atem- und Stimmfunktion
    • Ausprägung von Sprechängsten; Übergang zum Störungsbild „Stottern“ möglich
    • abnehmendes Selbstbewusstsein (den Betroffenen selbst fällt die Problematik weniger auf)
    • Ausprägung einer Lese-Rechtschreib-Störung
Gibt es einen Zusammenhang zwischen den Störungsbildern „Poltern“ und „Lese-Rechtschreib-Störungen“?

Ein Großteil der unter dem Punkt „Welche Symptome treten bei Polterern auf?“ aufgeführten Symptome trifft nicht nur auf die Aussprache der Betroffenen zu, sondern findet sich auch in deren Schriftsprache wieder.

Im Zuge des Lesens und Schreibens kommt es dann beispielsweise vor, dass Polterer Satzzeichen auslassen, Zeilen überspringen oder ein unleserliches, flüchtig wirkendes Schriftbild aufweisen.

Es besteht hier das erhöhte Risiko der Ausprägung einer Lese-Rechtschreib-Störung, da die Aufnahme und Verarbeitung im auditiven Bereich eingeschränkt sein kann und somit z.B. Laute „überhört“ oder im Selbstgebrauch ausgelassen werden.

Gibt es Möglichkeiten, dem Polternden das Sprechen zu erleichtern?

Sowohl für den Betroffenen selbst als auch für Angehörige gibt es Möglichkeiten, das Sprechen bzw. den Sprechablauf einfacher/entspannter zu gestalten; die folgenden Hinweise können auch therapieunterstützend genutzt werden:

  • das Spielen von Spielen, die das „Planen“ des eigenen Sprechens erfordern
    • Ratespiele oder Spiele, in denen Gegenstände beschrieben werden müssen (z.B. Blinde Kuh), ermuntern den Betroffenen dazu, eingehender über seine nächste Äußerung nachzudenken bzw. diese bewusst zu „planen“ – dies reduziert die Geschwindigkeit des Sprechablaufes und trägt zur Konzentration und Aufmerksamkeit bei.
  • das Vorlesen kurzer Geschichten mit anschließenden inhaltlichen Fragen
    • Das Vorlesen von Geschichten oder auch die Durchführung von Spielen mit dem Schwerpunkt „aufmerksames Zuhören/Merken“ fördert die auditive Wahrnehmung und Aufmerksamkeit des Betroffenen, da er auf die Lese- bzw. Spielgeschwindigkeit des Partners achten muss und diese ihm möglicherweise als Vorbild dient – bedenken Sie hier bitte eine langsame, ruhige Sprech- bzw. Vorlesegeschwindigkeit und schaffen Sie eine möglichst geräuscharme Umgebung.
  • das Einführen von „Phasen der Entspannung“
    • Das Planen und Einhalten von „Phasen der Entspannung“ dient nicht nur dazu, dem Alltag etwas Geschwindigkeit zu nehmen, sondern kann auch dahingehend erweitert werden, dass in diesem Zeitraum die Familienmitglieder ruhig und in gedämpfter Lautstärke sprechen. Die Länge dieser Phasen kann variieren und je nach Alter und Aufmerksamkeitsspanne des Betroffenen zwischen 10-60 Minuten andauern; mehrfache kurze Phasen (beispielsweise 3x täglich 20 Minuten am Morgen, Mittag und am Abend) sind ebenfalls möglich.
    • Empfehlenswert sind auch „Stille Pausen“, in denen der Betroffene selbst sprachlich nicht aktiv ist – hierfür eignen sich sehr gut Audio-CDs aus dem Gebiet des „Autogenen Trainings“, diese sind sowohl für Kinder als auch Jugendliche und Erwachsene erhältlich.
  • die Nutzung von Sprech- und Singspielen bzw. Rhythmusspielen
    • Sprech- und Singspiele fördern das Rhythmusgefühl und vermitteln gleichzeitig ein Bewusstsein für die Struktur und den Klang des Sprechens.
  • die Darbietung eines „ruhigen, sprachlichen Vorbildes“
    • Treten Sie selbst als sprachliches Vorbild auf - insbesondere Kinder orientieren sich häufig an ihren Eltern und imitieren diese gern. Sprechen Sie ruhig und mit angemessenen Pausen, vermeiden Sie ein zu hohes Sprechtempo oder eine zu hohe Lautstärke.
  • die Beseitigung von Lärm und Ablenkern in Gesprächssituationen
    • Versuchen Sie - sofern möglich - für Gesprächssituationen eine ruhige Atmosphäre mit wenigen Ablenkungsmöglichkeiten oder Umgebungslärm zu schaffen. So kann sich jeder Gesprächsteilnehmer äußern ohne das Gefühl zu haben, sich gegen eine „Lärm-/Störquelle“ durchsetzen zu müssen (meist durch eine Erhöhung der Sprechlautstärke und/oder -geschwindigkeit).
Mein/e Sohn/Tochter/Angehöriger zeigt Anzeichen einer Redeflussstörung (hier: Poltern). Muss ich ihn/sie logopädisch behandeln lassen? Was geschieht, wenn ich es nicht tue?

Es bestehen derzeit keine gesetzlichen Verpflichtungen bzw. Vorgaben der Krankenkassen bezüglich der sprachtherapeutischen Behandlung (kindlicher) Redeflussstörungen.

Es liegt jedoch in Ihrem eigenen Interesse bzw. dem Interesse Ihres Kindes/Angehörigen, eine logopädische Therapie durchführen zu lassen – nicht nur ist eine Behandlung von Redeflussstörungen nach Beendigung des 18. Lebensjahres nicht mehr kostenfrei (Personen sind ab diesem Zeitpunkt „zuzahlungspflichtig“, siehe „Kosten einer logopädischen Therapie“), auch können sich die vorliegenden Symptome verfestigen und weitere Spätfolgen nach sich ziehen.
Neben der zunehmenden Angst vor Sprechsituationen können auch Gefühle von Scham und Traurigkeit hinzukommen, die zu einer fortwährenden Abnahme des Selbstbewusstseins führen. Auch der soziale Rückzug kann eine Folge sein.
Insbesondere in Anbetracht von eventuell später erforderlichen psychotherapeutischen Maßnahmen sollte dieser Aspekt bedacht werden, bevor Sie sich gegen eine Behandlung entscheiden.

Wann sollte ich mit meinem Kind/Angehörigen einen Logopäden aufsuchen?

Wenn Ihnen bei Ihrem Kind/Angehörigen eine Störung des Redeflusses auffällt ist es - generell gesprochen - sinnvoll, eine möglichst zeitnahe logopädische Behandlung anzustreben.

Bereits im Kita- und Vorschulalter können Entspannungs- und Atemübungen durchgeführt werden, auch Übungen zur Erkennung und bewussten Beeinflussung des Polterprozesses können stattfinden.
Eine begleitende Elternberatung und Übungsanleitung ist Teil der logopädischen Behandlung in meiner Praxis.
Die Häufigkeit, Dauer und Intensität der Therapie orientiert sich am Ausprägungsgrad der vorliegenden Störung sowie am Alter und der Konzentrationsfähigkeit Ihres Kindes.

Wie untersucht ein Logopäde mein/en Kind/Angehörigen, wenn der Verdacht auf eine Redeflussstörung (hier: Poltern) besteht?

Bedingt durch die vielschichtige Fülle an möglichen Ursachen und Symptomen ist eine detaillierte Diagnostik des Polterns erforderlich, die ggf. auch das soziale Umfeld im weiteren Bereich (Kita, Schule, zusätzliche therapeutische Maßnahmen/Förderungen, Ausbildung, Beruf etc.) mit einbezieht.
In den meisten Fällen umfasst die logopädische Untersuchung des Polterns die folgenden Diagnostikbereiche:

  • Anamnese des Polterns im Allgemeinen
    • Die Datenerhebung bezüglich der Entstehung des Polterns umfasst eine detaillierte Einschätzung des kindlichen Entwicklungsverlaufes sowie eine Erfassung des derzeitigen Entwicklungsstandes. Bei Erwachsenen bezieht sich die Datenerhebung auf die Entwicklung des vorliegenden Störungsbildes (Poltern).
  • Testung der Wahrnehmung im auditiven und visuellen Bereich
    • Mit verschiedenen Tests werden die Teilleistungsbereiche Aufmerksamkeit, Konzentration und Merkfähigkeit (z.B. durch das Merken und Wiedergeben von Abfolgen) beurteilt.
  • Prüfung der Aussprache
    • Es erfolgt eine Analyse der Spontansprache sowie eine Prüfung der Leistungen im Bereich „Nachsprechen“.
  • Prüfung der grammatikalischen Fähigkeiten
    • Innerhalb dieses Teilspektrums werden die Fähigkeiten in den Bereichen Satzstrukturierung und Satzbildung erfasst; auch Aufgaben zum Kontext (Textzusammenhang) können enthalten sein.
  • Überprüfung der schriftsprachlichen Fähigkeiten
    • Sofern es das Alter bzw. die Fähigkeiten des Patienten zulassen, wird der Lese- und Schreibprozess geprüft; dies erfolgt u.a. durch das Lesen eines unbekannten Textes sowie die Durchführung eines kurzen Diktats.
  • Abgrenzung zum Störungsbild „Stottern“
    • Die vorliegende Symptomatik wird mit den Symptomen des Störungsbildes „Stottern“ abgeglichen, um eine Eingrenzung des Befundes vornehmen zu können. Dies ist erforderlich, da sich zeitweise die Symptome beider Störungsbilder ähneln können, die Behandlungsansätze sich jedoch in einzelnen Punkten unterscheiden.
Wie behandelt ein Logopäde mein/en Kind/Angehörigen, wenn eine Redeflussstörung (hier: Poltern) vorliegt?

Es ist empfehlenswert, die logopädische Therapie in zwei Schritten durchzuführen: Zunächst konzentriert sich die Behandlung auf die erfassten „Begleitsymptome“, da diese zumeist die für das Poltern aufrechterhaltenden Faktoren darstellen; die zweite Phase befasst sich mit der Therapie der „Hauptsymptome“.

  • Phase 1: Therapie der Begleitsymptomatik (aufrechterhaltende Faktoren)
    • Förderung der Konzentration und Aufmerksamkeit
    • Training der Merkfähigkeit
    • Schulung der Wahrnehmungsfähigkeiten
    • Koordination von Atmung und Stimmgebung
    • Erarbeitung von Entspannungstechniken
    • Förderung der Sprechfreude
  • Phase 2: Therapie der Hauptsymptomatik
    • Reduzierung des Sprechtempos
    • „Rhythmisierung“ des Sprechablaufes
    • Erarbeitung der gezielten Nutzung von (Sprech-)Pausen
    • Verbesserung der Aussprache und Verständlichkeit
    • Anpassung der Sprechmelodie (Vermeidung des „monotonen“ Stimmklangs)
    • Training der Planung und Strukturierung von Gesprächen
Wie kann ich die logopädische Behandlung meines Kindes/Angehörigen unterstützen?

Wenn Sie bzw. Ihr Kind/Angehöriger häusliche Übungen nach der Therapie erhalten empfehle ich diese gemeinsam und in einer ruhigen bzw. störungsarmen Umgebung durchzuführen. Meist benötigen Sie für die Übungen nur ca. 10-15 Minuten Zeit und das gemeinschaftliche Lernen bindet Sie als Eltern indirekt in das Therapiegeschehen ein – so sind auch Sie immer auf dem neuesten Stand und Ihr Kind wird Spaß daran haben, Ihnen etwas Neues zeigen zu können.

Ebenso wichtig ist die Verdeutlichung des Ziels der Übungen: Es ist durchaus sinnvoll, dass auch Sie als Eltern Ihrem Sohn oder Ihrer Tochter die Bedeutung der Übungen für deren alltägliche Verständlichkeit nahelegen. Es geht nicht darum, für die Therapie bzw. den Therapeuten zu üben, sondern in erster Linie für sich selbst.
Ein Beispiel für eine solche Verdeutlichung wäre die Betonung der Bedeutung der Übungen für das lockere Sprechen und die Fähigkeit sich situationsangemessen auszudrücken, ohne dabei Furcht zu empfinden.

Schließlich kann es nicht schaden, eine kleine Belohnung für die Erfüllung einer Aufgabe bereitzuhalten; jedoch sollte diese stets in einem angemessenen Umfang erfolgen, damit nicht ausschließlich „für die Belohnung“ geübt wird.

Wichtig ist, dass im Falle des Misslingens einer Übung diese erneut versucht wird; weisen Sie Ihr Kind ggf. darauf hin, wenn ihm ein Fehler bei der Durchführung der Übungen passiert. Achten Sie dabei auf ein „ausgewogenes Maß“: Zu häufig stattfindende Hinweise auf Fehler können demotivierend wirken, während das Fehlen von Hinweisen ebenfalls ungeeignet ist, da Kinder auf eine Rückmeldung der Personen ihres Umfeldes angewiesen sind, um eventuelle Fehler zu bemerken.
Es kann etwas Zeit in Anspruch nehmen, um dieses „Gleichgewicht“ zu finden, allerdings ist es für die Entwicklung Ihres Kindes innerhalb und außerhalb der Therapie von tragender Bedeutung.